Mein neues Lieblingswort ist "kulturelle Grundversorgung". Was das heißt? Ganz einfach: Theater sollte für jede/n zugänglich sein, egal ob Stadt oder Land. Theater inspiriert, fördert die Phantasie und schafft positive Emotionen. Theater verbindet uns und ist für ein gelungenes Zusammenleben ungefähr so wichtig wie miteinander zu reden, einander zuzuhören und aufeinander achten. Grundwerte des Mitmenschlichen.
Doch der Weg vom Dorf in eine Theatervorstellung ist oft sehr weit. Und die Hürden sind manchmal hoch. Deswegen setzen wir vom fredak MV (Landesverband Mecklenburg-Vorpommern - Freie Darstellende Künste) uns dafür ein, Theater in den ländlichen Raum zu bringen. In die Dorfgemeinschaftshäuser, die Dorfkirchen, die KiTas und Gemeinderäume. Denn das können wir Soloselbständigen: von der Scheune bis zur Kirche alle möglichen Räume bespielen, auch ohne große Bühne und viel Technik. Und open air geht das auch noch - unser Beitrag zur "kulturellen Grundversorgung"!
Die Gemeinde Stepenitztal liegt im Landkreis Nordwestmecklenburg, mitten im Nirgendwo zwischen Lübeck, Schwerin, Wismar und der Ostsee. Das Gebiet um die 16 Ortsteile ist sehr geschichtsträchtig, ländlich geprägt und touristisch attraktiv: Wanderwege an den Flüssen Radegast und Stepenitz, gut erschlossene Waldgebiete, historische Orte. Es gibt Alteingesessene und Zugezogene und in Mallentin ein Nebaugebiet. Die Gemeinde hat 1784 Einwohner:innen (Stand März 2025), das sind 19 Menschen pro Quadratkilometer.
Ein paar Autohäuser, Bushaltestellen, Briefkästen, ein Restaurant mit Veranstaltungsprogramm. Kein Supermarkt, kein Bäcker.
Zunächst vor allem per Telefon. Ich habe sehr viel telefoniert und noch mehr Mails geschrieben, habe Multiplikatoren und mögliche Kooperationspartner kontaktiert: die kirchliche und die weltliche Gemeinde, Kindertagesstätte, Kultur- und Kunstschaffende, den Amtsleiter für Kultur, Bildung und Soziales des Amtes Grevesmühlen Land und natürlich die Freiwillige Feuerwehr.
Mindestens ebenso wichtig wie Kontakte zu verschiedenen Institutionen war mir die Meinung der Bevölkerung, sie sind schließlich das potentielle Publikum. Also habe ich zwei Veranstaltungen im Stepenitztal genutzt, um eine Umfrage durchzuführen und das Interesse an kulturellen Veranstaltungen abzuklopfen.
Mit diesem Mini-Fragebogen stand ich im Juni 2025 erst in Mallentin auf dem Flohmarkt und dann in Kirch Mummendorf zu Kunst Offen, habe eine "Grundstimmung" eingefangen und viele interessante Gespräche geführt:
Der Flohmarkt in Mallentin am 1.6.25 wurde organisiert von der Freiwilligen Feuerwehr. Ich habe hier 43 Menschen angesprochen bzw. befragt. Von denen hatten 22 sofort Interesse an kulturellen Veranstaltungen, 21 nicht.
Der überwiegende Teil der Befragten wünschte sich Veranstaltungen für Kinder und würde 6 bis 10 Euro Eintritt zahlen. Veranstaltungen für Erwachsene wurden etwas weniger gefragt.
Konkrete Vorschläge gab es auch: Stand-up Theater, Musikveranstaltungen, Kultur zum Mitmachen: Kurse, Workshops usw.
Zitate aus den Gesprächen in Mallentin:
. „Kultur? Geht immer!“
. „Bei mir sind Sie da an der komplett falschen Adresse“
. „Theater auf platt – das wäre mal was!“
. „Für Erwachsene lohnt sich das nicht“
. „Für Erwachsene wäre das gut, für Kinder nicht. Jungs können nicht stillsitzen. Mein Sohn würde nicht kommen, der ist Fußballer. Wir haben alles probiert.“
. „Eine Laienspielgruppe für Jugendliche wäre toll, vielleicht in Zusammenarbeit mit der Kirche oder der VHS!?“
. „Früher gab's die Kneipe neben der Kirche, da konnte man Sonntags gleich rüber, jetzt gibt’s nichts mehr.“
. „Kultur? Theater? Ja, unbedingt!“
. „Ich wohne in der Stadt, da haben wir alles.“
. „Wir wohnen seit vier Jahren hier, hier ist ja nix!“
Zu Kunst Offen an der Kirche in Kich Mummendorf am 8.6.25 habe ich 45 Menschen angesprochen und befragt. Von denen zeigten sich 37 interessiert an kulturellen Veranstaltungen, 8 Leute nicht.
Auch hier wünschte sich der weit überwiegende Teil der Befragten Theater / Figurentheater für Kinder und / oder Erwachsene und würde 6 bis 10 Euro Eintritt zahlen.
Das Publikum auf einer Kulturveranstaltung wie "Kunst Offen" ist natürlich ein anderes als auf einem Flohmarkt. Hier gab es viele Ideen: Konzerte, Mitmachangebote, Vorträge, Lesungen, Kunstausstellungen, ein Theaterprojakt an der Schule oder "World Theater" wurden gewünscht.
Zitate aus den Gesprächen in Kich Mummendorf:
. „Kultur? Auf jeden Fall!“
. „Theater auf dem Dorf? Das ist schwierig, im Sommer sitzen doch alle in ihren Gärten!“
. „Schön, wenn was stattfindet auf'm Dorf, aber für Theater brauche ich die Stadt drumherum. Das verbindet man ja auch mit Shoppen, essen gehen usw.“
. „Wir gehen in Schwerin ins Kino.“
. Hier in Kirch Mummendorf wäre eine Kulturveranstaltung schön. In Lübsee liegt ja Werner v. Siemens begraben, da bekommen die Spenden von Siemens. (in Lübsee spielt 1x/Jahr das kobalt Figurentheater Lübeck)
Ich finde: Ja! Kontakte sind geknüpft, Strukuren erkannt, Räume gesichtet.
Ob es eine Veranstaltung mit Theater up platt für Erwachsene oder ein Figurentheater für Kinder wird? Oder lieber Tanztheater oder Akrobatik?
Grundsätzlich möglich ist es: Theater Open Air in Gostorf zu spielen, die Kirchen und Förderkreise in Lübsee, Kirch Mummendorf und Börzow einzubinden, den Gemeinderaum in Mallentin oder das Dörpshus in Börzow zu nutzen. Bis zum Corona-Lockdown gab es regelmäßig Gastspiele eines plattdeutschen Theaters, das sehr gut besucht war! Angedacht ist auch ein mehrtägiges Theaterfestival auf dem Land im Nordwesten von Mecklenburg. Wenn das so weit ist, werdet Ihr es hier und auf allen anderen Kanälen erfahren!
DANKE an
alle, die mich in der Gemeinde Stepenitztal unterstützt haben, die nachgefragt, mitgedacht und hilfreich kommentiert haben - und eine weitere Zusammenarbeit zur "kulturellen
Grundversorgung" in Aussicht gestellt
haben!
Dieses Projekt wurde gefördert vom fredak MV mit Mitteln des Ministeriums für Wissenschaft, Kultur,
Bundes- und Europaangelegenheiten Mecklenburg-Vorpommern.