Geschichten Erzählen: Leidenschaft und berufung

Warum ich Erzählerin geworden bin

Wurzeln der Geschichtenliebe

Aufgewachsen bin ich als Nordlicht bei Hamburg unter tiefschweren Wolken, habe den Sturm geliebt, die Einsamkeit der Heide genossen und überall Feuerstellen gebaut. Als Kind habe ich mir die Hunde der Nachbarschaft ausgeliehen und bin durch die Wälder gestreift. Oder ich habe mit meinen Freundinnen dort "Ronja Räubertochter" nachgespielt, oft über Tage. Zu Hause saß ich an Papas alter schwerer Schreibmaschine und habe mit dem Zweifingertippsystem die gerade gelesenen Kinderbücher weitergeschrieben, Kapitel für Kapitel.

Lesen und Erzählen

... waren schon frühe Leidenschaften. Unsere Familienurlaube damals führten in faszinierende Landschaften Europas, in die Weite des Nordens oder in die Berge. Und jeder zweite Tag war ein "Wandertag". Stundenlang haben wir Fuß vor Fuß gesetzt, um den Gipfel zu erklimmen und wieder ins Tal zu gelangen. Da habe ich meinen Eltern und meiner Schwester ganze Bücher nacherzählt, die ich gerade gelesen hatte: Momo, Die unendliche Geschichte, Schiwas Perlen, Die Brüder Löwenherz... die Bilder der Bergkulisse um uns herum verschwammen mit den Bildern der Geschichte. Und immer noch ist das in meinen Erinnerungen tief verankert.

Sterntaler

Nach dem Ethnologiestudium arbeitete ich in Lübeck im Bereich Veranstaltungswesen / Öffentlichkeitsarbeit. Bis ich Mutter wurde. Drei wunderbare Kinder füllen einen wichtigen Teil meines Lebens und meines Herzens. Jetzt sind die Kinder schon groß, doch damals besuchten wir eine Veranstaltung mit einem Märchenerzähler. Ich sah in den Gesichtern der Kinder die Wirkung des freien Erzählens, ihr Mitgehen, ihr Staunen, ihre Phantasie. Ohne zu wissen, wo es mich hinführte und ohne einen blassen Schimmer Ahnung war ich wie vom Blitz getroffen. Ich wusste sofort "das ist es!" Gleich Sterntaler prasselten Eindrücke, Ideen, Gedanken und Pläne auf mich herunter.

 

Innerhalb kürzester Zeit entfachte sich ein Feuer, das bis heute brennt und lodert. Und das mich zutiefst dankbar für diese Arbeit macht.


Ein Märchen, eine Geschichte und ihre Figuren

Eine Geschichte: Auszeit, Kopfkino, Anregung! Zündschnur für Hirngespinste. Menschenkenntnis, Lebensentwürfe, Wünsche, Träume, Ängste, Sehnsüchte. Als Geschichtenerzählerin (und nicht nur dann) habe ich ein tiefes Interesse an Menschen und ihren Geschichten. Stets schaue ich auch zwischen die Zeilen und frage nach dem Dahinter und dem Warum: Warum geht der König so mit seiner Tochter um? Warum geht der Fischer ans Meer, obwohl er doch nicht will? Und was für eine Frau ist es, die ihn schickt? Was wünscht sie sich eigentlich? Was mag vor Beginn und nach dem Ende des Märchens geschehen sein?! Und schließlich: wer von uns Menschen in dieser Welt schafft es, "König im eigenen Reich" zu sein? Mit welcher Geschichte?

Warum ich Geschichten erzähle

Bild: Maren Winter 2023
Bild: Maren Winter 2023

Ich liebe dieses Beziehungsgeflecht, das zwischen den Geschichten, dem Publikum und mir als Erzählerin entsteht. Ich verstehe mich als Vermittlerin zwischen den Bildern einer Geschichte und den Ohren und Herzen meiner Zuhörer. Gemeinsam machen wir eine Reise, lassen Bilder entstehen und gewinnen Anregungen, Erkenntnisse oder genießen eine gelungene Auszeit! So wird das Erzählen zu einem Tanz zu dritt: ich erzähle und habe an der einen Hand die Geschichte, an der anderen diejenigen, die lauschen. Und dann heben wir ab und tauchen ein...